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Wichtelgeschichte 13

Willis Geschenk


Winterlandschaftsbilder Glühwein Eisschwimmen



Foto von Ingo Lenz



Text von Sina Land


Über seinem Sofa hängen nicht nur Winterlandschaftsbilder, die ihn weihnachtlich stimmen, auch der Glühwein in seinen Händen trägt zu einer feierlichen Stimmung bei. Er stößt mit seiner Tochter an, die heute, am Heiligen Abend, nicht arbeiten muss. Linchen sitzt schon seit einer halben Stunde in der Badewanne, um ja frisch gewaschen zu duften, wenn die Bescherung ist. Die Erwachsenen sitzen somit alleine im Wohnzimmer neben dem geschmückten Weihnachtsbaum.

„Ich schau mal nach meiner Enkelin“, sagt Bartholomäus und erhebt sich aus seinem Schaukelstuhl. „Wenn sie noch länger im kalten Wasser bleibt, wachsen ihr Schwimmhäute wie den Enten am See und sie wird zur Eisschwimmerin.“ 

Seine Tochter Clara lacht. „Wer ihr wohl diese Ausdauer vererbt hat?“

Er hält inne, zieht die Stirn in Falten. „Denkst du, ich habe ein passendes Geschenk für sie ausgesucht?“

„Aber sicher“, beruhigt sie ihn. „Es ist für euch beide genau das Richtige.“

Bartholomäus stutzt. „Wie für uns?“

„Na ja, wenn Linchen bei dir ist, ist es das passende Geschenk für sie ... und wenn sie bei mir ist, dann ist es das Richtige für dich.“

„Aber ...“

Schnell nimmt sie seine Hand. „Ich weiß, dass dir die Einsamkeit, seit Mamas Tod, zu schaffen macht. Da ist es doch für dich ebenso erfreulich, wenn du ohne Linchen nicht komplett alleine in deinen vier Wänden sitzt.“

Und so kommt es, dass sie wenig später zu dritt unterm Weihnachtsbaum sitzen und Geschenke auspacken. Linchens Strahlen lässt sein Herz hüpfen, doch am meisten freut er sich auf seine letzte Überraschung. Es läutet an der Tür. Er steht tonlos auf, dennoch mit breiten Grinsen, und zwinkert seiner Tochter zu. Dann schlurft er nach draußen.

Kurz darauf ist er zurück. „Schau mal Linchen, da ist noch ein ganz spezielles Geschenk von Willi. Weil du ihm so geholfen hast und er dir so dankbar ist.“

In dem Moment stürmt ein Hundewelpe zwischen seinen Beinen hindurch und auf seine Enkelin zu, springt an ihr hoch und schleckt ihr über das Ohr.

„Hilfe“, schreit sie in einem Lachanfall.

Clara stellt sich zu ihm. „Hast du jetzt noch Bedenken, ob es das richtige Geschenk ist?“ Liebevoll streicht sie ihm über den Rücken.

Bartholomäus schüttelt den Kopf und hat das Gefühl, als hätte irgendwer in seinem Herzen eine Kerze angezündet. Auch wenn Linchen die nächsten Tage wieder mehr bei seiner Tochter ist, wird er jemanden haben, der sich auf ihn freut. Und in der Zeit, wo sie bei ihm ist, freuen sie sich zu zweit.

„Frohe Weihnachten“, flüstert Clara und drückt ihn in einer langen und innigen Umarmung an ihr Herz. „Du bist der beste Papa der Welt.“

„Und der beste Opa“, sagt Linchen und schiebt sich zwischen die beiden, während ein fortwährend herumspringender Hund sich bellend durch ihre Füße drängt. 

Wörter von Ingo Lenz

Text von Sina Land

Foto von Ingo Lenz