Es ist dunkel und dennoch wird die Luft von weißem Rauch durchzogen. Die alte Dampflok ist der Verursacher dieses seltenen und beinahe mystischen Schauspiels. Bei Sonderfahrten, wie dieser, darf sie die Welt mit ihrem Wolken verhüllen. Heute ist ein besonderer Tag, denn der Zug wurde extra für drei Nachtfahrt aufgehübscht, poliert und aus dem Schuppen geholt.

 

Einen Gutschein hat sie zum achzigsten Geburtstag von ihren Enkeln geschenkt bekommen. Doch so richtig freuen konnte sie sich nicht. Schließlich hat sie das Buch vom Orientexpress gelesen und weiß, was sich in Zügen so alles abspielen kann. Es schüttelt sie durch, als der Schaffner aus dem Wolkenmeer auf sie zutritt. Wie im Buch denkt sie und hört schon innerlich den Pfiff und die Ansage, dass sie nach langer Fahrt mit dem Zug im Schnee stecken geblieben sind. Natürlich dort, wo weit und breit nichts ist als weiße Landschaft. Sie beißt die dritten Zähne zusammen und steigt trotzdem ein.

 

Mitten in der Nacht, weckt sie ein Rumpeln. Dann hört sie ein "verdammt". Sie schreckt hoch in ihrem Nachthemd. Ihre Beine zittern. Der Mörder ist unterwegs. Aber warum hat er es gerade auf sie abgesehen? Vorsichtig lugt sie durch einen schmalen Spalt der Vorhänge in den Gang hinaus, sorgfältig auf der Hut selbst nicht gesehen zu werden. Doch was sie draußen sieht lässt sie entspannen. Ein älterer Herr im Rollstuhl hatte sich an einem auf dem Fußboden herumstehenden Schirmständer verfangen.

 

Aufatmend schimpft sie sich einen Angsthasen, zieht sich ihren Bademantel über und befreit den Herrn aus seiner misslichen Lage.

 

Die nächste Nacht verbringt sie in ihrer Kabine zu zweit. Der Herr hat es ihr im Gegenzug und als Dank angeboten. Nur zu ihrer Sicherheit. Damit sie ruhig schlafen könne, so sagte er.

 

 

Leider waren am nächsten Morgen sowohl der Herr samt Rollstuhl, als auch ihre teuren Diamantohrringe verschwunden.